6 Oktober 2017 | Ted Page
Typografie und Legasthenie
Für Menschen mit Legasthenie gibt es viele typografische Faktoren, die die Lesefähigkeit beeinflussen. Dazu gehören Text- und Hintergrundfarben, Schriftarten und -größen, Zeilenabstände und die Länge von Zeilen und Absätzen.
Wir ziehen hier noch einen weiteren Faktor in Betracht: die Textausrichtung und die Gleichmäßigkeit der Textabstände. Unten finden Sie ein kurzes Tutorial für InDesign-Nutzer zur Behebung potentieller Probleme und einem Hinweis zu den jeweiligen Standards.
Einfache Methoden zur Beurteilung des Problems
Es gibt unterschiedliche Methoden, um zu prüfen, ob ein Text gleichmäßige Abstände besitzt. Einige davon können etwas „wissenschaftlicher“ sein. So kann man z. B. mit zugekniffenen Augen auf eine Seite starren, um etwa Unsauberkeiten einer Zeile zu erkennen. Oder man hält die Seite verkehrt herum, wodurch Wörter schlechter zu erkennen und Abstände leichter auszumachen sind. InDesign bietet erfreulicherweise eine bessere Methode.
Die Methode von InDesign
Um eine visuelle Darstellung von Problemen mit der Textausrichtung in InDesign zu erhalten, gehen Sie wie folgt vor:
- Wählen Sie Bearbeiten (Windows) oder InDesign (Mac) aus, dann Voreinstellungen und Satz.
- Unter Markieren wählen Sie nun Silbentr. und Ausr.-Verletzungen aus.
- Klicken Sie dann auf OK.
Eine visuelle Darstellung des Problems
Hier sehen Sie ein Dokument mit zwei nebeneinander dargestellten und identisch ausgerichteten Texten. Durch die Aktivierung der Funktion Silbentr. und Ausr.-Verletzungen zeigen gelbe Markierungen sämtliche Problembereiche an – je dunkler das Gelb desto größer das Problem.
Wir werden nun den Text auf der rechten Seite korrigieren und diesen dann mit dem Text auf der linken Seite vergleichen.
Anpassung von Abständen und Skalierung
- Öffnen Sie das Fenster Absatzformate und wählen Sie das Absatzformat für den jeweiligen Text aus.
- Wählen Sie links im Feld Abstände aus.
- Wenden Sie die folgenden Einstellungen an:
- Mindestabstand zwischen Wörtern: 90 %
- Maximaler Abstand zwischen Wörtern: 150 %
- Mindestabstand zwischen Buchstaben: -5 %
- Maximaler Abstand zwischen Buchstaben: 3 %
- Mindestskalierung von Glyphen: 97 %
- Maximale Skalierung von Glyphen: 103 %
Das (Zwischen-)Ergebnis
In Abbildung 4 sehen Sie das Ergebnis dieser Einstellungen.
Durch die oben aufgeführten Einstellungen konnten fast alle gelben Markierungen entfernt werden. Doch die letzte verbleibende Zeile, die gelb markiert ist, ist noch immer recht weit auseinandergezogen. Weitere Anpassungen von Abständen und Skalierung können helfen, doch in diesem Fall sind drastischere Schritte notwendig. Hier besteht allerdings die Gefahr, dass einige Abstände zu gering werden und Wörter ineinander verlaufen, wodurch die Lesbarkeit wiederum verringert wird. Es wird also eine Alternative benötigt.
Eine redaktionelle Schnelllösung
Wenn Sie den Text redaktionell bearbeiten können, könnten Sie einfach ein Wort durch ein längeres austauschen. Das würde das Problem in diesem Fall lösen.
Silbentrennung
Die dritte Option wäre, die Silbentrennung einzuschalten, die automatisch am Ende der Zeile (bedingte) Trennstriche einfügt. Gehen Sie dafür wie folgt vor:
- Öffnen Sie nochmals das Fenster Absatzformatoptionen.
- Gehen Sie zu Silbentrennung und markieren Sie das Kästchen Silbentrennung.
Das Endergebnis
Unten sehen Sie das Endergebnis. Die gelben Markierungen sind vollständig verschwunden (auch wenn kein Trennstrich zur betroffenen Zeile hinzugefügt wurde). Auch die übermäßig großen Lücken zwischen den Wörtern sind nicht mehr vorhanden.
Fazit
Dieses äußerst nützliche InDesign-Werkzeug kann Probleme bei der Textausrichtung minimieren oder sogar beseitigen, und verbessert so für alle die Lesbarkeit von Texten. Davon dürften jedoch vor allem Menschen mit Legasthenie profitieren.
Hinweis zu den relevanten Standards
PDF/UA als technischer Standard spricht diese Art von Problem mit der Barrierefreiheit nicht an. Er bezieht sich stattdessen auf die WCAG 2.0 (Richtlinien für barrierefreie Webinhalte).
Das relevante WCAG 2.0 Success Criterion, 1.4.8 (nur auf Englisch) besagt:
„Für die visuelle Darstellung von Textblöcken steht eine Methode zur Verfügung, die folgendes erreicht: (Stufe AAA) … (3) Text ist nicht im Blocksatz abgebildet (am linken und am rechten Rand ausgerichtet)”.
Der spezifische Vorteil von Erfolgskriterium 1.4.8 wird im aktuellen Kontext wie folgt angegeben:
„Menschen mit kognitiven Einschränkungen können Texte leichter lesen, wenn die Abstände zwischen den Wörtern gleichmäßig sind.“
Die Richtlinie WCAG spricht dieses Thema jedoch nur in Zusammenhang mit Texten in Blocksatz in HTML-Dokumenten an, was ziemlich unausgereift ist. Es berücksichtigt dabei nicht das ausgereifte Modul zur Textausrichtung, das Nutzern von InDesign zur Verfügung steht. Wenn ein Text auf einer Seite sowohl links als auch rechts ausgerichtet sein muss, dann bieten PDF-Dokumente klar Vorteile gegenüber HTML.
Wenn das PDF-Format barrierefreier ist als das HTML-Format
Es wird oft angenommen, dass HTML gegenüber PDF das barrierefreiere Format wäre. In dem folgenden Blogeintrag werden wir zeigen, dass dies für einige Leser und einige Inhalte absolut nicht der Fall ist; oft ist es sogar das komplette Gegenteil. Das obige Beispiel ist nur eines von vielen.
Möchten Sie mehr erfahren?
Dieser Artikel basiert auf einem einzelnen Modul unseres Schulungshandbuchs Accessible PDFs from InDesign (nur auf Englisch). Zu diesem Kurs gehören Duzende solcher Module, die alles darüber enthalten, wie man PDF-Dokumente für möglichst viele unterschiedliche Leser barrierefreier gestaltet.